Erhard Pumm, DGB-Vorsitzender Hamburg, hat am Montag (28.04.08) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bischöfin Maria Jepsen und Erzbischof Werner Thissen anlässlich des 1. Mai das folgende Statement gehalten: Kirchen und Gewerkschaften teilen viele Erfahrungen, darunter auch eine besonders markante politische Erfahrung: Beide, Kirche wie Gewerkschaft, werden immer wieder von den Parteien, denen sie gerade widersprechen, zur Neutralität ermahnt. Ich halte das für einen doppelten Täuschungsversuch. Erstens werden damit politische Unabhängigkeit und Neutralität fälschlicher Weise in einen Topf geworfen. Und zweitens wird so getan, als ob Neutralität keine Einflussnahme sei: Im Konflikt zwischen Starken und Schwachen helfen die Neutralen dem Starken. Daran zu erinnern, ist der 1. Mai ein besonders geeigneter Tag. Der Kalender, der den Tag der Arbeit und Christi Himmelfahrt an diesem 1. Mai zusammengelegt hat, war ein guter Anstoß für unseren gemeinsamen Auftritt auf dem Spielbudenplatz und für diese gemeinsame Pressekonferenz. Aber ohne eine tragfähige Basis wäre dieser Anstoß ins Leere gelaufen. Tatsache ist: Die Zahl unserer gemeinsamen Mitglieder ist sehr hoch. Christ und Gewerkschafter, Gewerkschafterin und Christin, das kann und darf kein Widerspruch sein. Am besten beweisen das die Engagierten, die sowohl in der Kirche als auch in der Gewerkschaft aktive Rollen übernommen haben. Es ist bekannt, dass wir auch etwas auszusetzen haben aneinander: Die Kirchen hätten das gewerkschaftliche Weltbild gerne christlicher. Der DGB hätte die kirchlichen Arbeitsbedingungen gerne gewerkschaftlicher. Beides hindert uns nicht, am 1. Mai gemeinsam aufzutreten. Das Programm, das wir am 1. Mai gemeinsam gestalten, liegt Ihnen vor. Hervorheben will ich den Ökumenischen Gottesdienst, der begleitet wird von Gospeltrain, dem Jugendgospelchor der Gesamtschule Harburg, einer der drei Pilotschulen Kultur in Hamburg. Aber wir dürfen an diesem 1. Mai nicht nur nach St. Pauli schauen, sondern auch nach Harburg, Bergedorf und nach Barmbek. In der Zusammenschau dieser Veranstaltungssorte rechne ich insgesamt mit rund 15.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern an diesem 1. Mai in Hamburg. Dass die NPD den 1. Mai für eine politische Offensive nutzt, ist keine Überraschung, aber vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus eine massive Provokation. Die Neonazis versuchen inzwischen offensiv, die soziale Frage zu besetzen. Sie marschieren in Hamburg unter dem Motto: Arbeit und soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen. Gemeinsam gegen Globalisierung. Auch in der Weimarer Republik hatten die Nazis einen sogenannten linken Flügel, den Strasserflügel, der auf Sozialpolitik setzte und antikapitalistische Parolen verbreitete. Am 2. Mai 1933 haben sie dann die Gewerkschaftshäuser gestürmt. Drei Punkte will ich im Zusammenhang mit dem Aufmarsch der Neonazis in Barmbek betonen: 1. Die DGB-Jugend und viele Kolleginnen und Kollegen der Gewerkschaften werden am 1. Mai in Barmbek demonstrieren. Ich halte das für richtig. Die Neonazis müssen sehen und hören, dass ihre demokratiefeindliche, gewalttätige, menschenverachtende Politik in unserer Stadt keinen Platz hat. Gleichzeitig bestehe ich jedoch darauf, dass es politisch kurzsichtig wäre, die gewerkschaftliche Kundgebung und die gewerkschaftliche Botschaft des Tages der Arbeit in eine reine Anti-Nazi-Veranstaltung umzufunktionieren. Es muss am 1. Mai eine eigenständige, selbstbestimmte Gewerkschaftsveranstaltung geben. Das politische Programm am Tag der Arbeit bestimmen nicht die Neonazis, sondern die Gewerkschaften in diesem Jahr gemeinsam mit den christlichen Kirchen.
2. Ich schließe mich der Auffassung an, dass die Möglichkeit geprüft werden muss, die Nazi-Demonstration zu verbieten, weil drei der angekündigten Redner mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt bzw. derzeit angeklagt sind. Volksverhetzung zählt zu den Straftaten, die das Verbot einer Versammlung rechtfertigen. 3. Ich denke, dass die Auseinandersetzung mit dem Rechtsradikalismus nicht nur mit historischen Rückblicken geführt werden kann. Die Erinnerung an die NS-Verbrechen wachzuhalten, ist eine unverzichtbare politische Pflicht. Es gilt aber auch zur Kenntnis zu nehmen, dass starke soziale Unsicherheiten und skandalöse Ungerechtigkeiten dem Rechtsradikalismus helfen, Aufmerksamkeit zu finden. Auch deshalb ist es von herausragender Bedeutung, der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und dem Wiederaufbau sozialer Sicherheiten erste Priorität zu geben. Das Ziel einer solidarischen Stadt steht für die Hamburger Gewerkschaften an diesem 1. Mai im Mittelpunkt. Das Ziel einer solidarischen Stadt erfordert eine Politik für mehr soziale Gerechtigkeit, vor allem für mehr Verteilungsgerechtigkeit. Dieses Ziel erfordert eine Politik für mehr Chancengleichheit gerade in der Bildung; es verlangt nach einer Politik gegen Erwerbslosigkeit und Armut, gegen Ausgrenzung, aber auch gegen Privatisierung und Demokratieabbau. 30 Jahre Massenarbeitslosigkeit haben den Boden bereitet für politische Positionen, die unter der Überschrift sozial ist, was Arbeit schafft noch den übelsten Job mit der miesesten Bezahlung rechtfertigen. Darin spiegelt sich nicht nur ein materieller, sondern auch ein sozialer und kultureller Niedergang. Die Gewerkschaften antworten darauf nicht nur mit der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn. Es ist keine Utopie, sondern das einzig vernünftige Ziel, darauf zu bestehen: Angestrebt und durchgesetzt werden muss die Integration aller erwerbsfähigen Menschen in reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mit auskömmlichem Einkommen entsprechend ihren Fähigkeiten und Leistungen. Gute Arbeit muss drin sein das ist das Gewerkschaftsmotto am 1. Mai 2008. Aus dieser Verantwortung für gute Arbeit werden die Gewerkschaften, aus dieser Verantwortung werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unserer Stadt Wirtschaft und Politik niemals entlassen.