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Beschimpfungen, Spuckattacken und tätliche Angriffe – was wie eine mitternächtliche Rauferei auf der Reeperbahn klingt, ist für viele Beschäftigte in Hamburgs öffentlichem und privatisiertem Dienstleistungssektor bitterer Alltag. Eine neue Studie des Bundesinnenministeriums zeigt bundesweit ein ähnliches Bild. Die Studie, an der sich 10.674 Beschäftigte und 1.631 Behörden und Organisationen beteiligten, kommt zu dem Ergebnis, dass im Durchschnitt der Befragungszeiträume 23 Prozent der Beschäftigten innerhalb eines Jahres verbale oder physische Gewalt am Arbeitsplatz erlebt haben. Bei Feuerwehr und Rettungskräften, im Veterinäramt, im Ordnungsamt und im Justizvollzug haben ein Drittel oder mehr Beschäftigte innerhalb eines Jahres Gewalt erlebt. Beschäftigte, die technische Hilfe in Notlagen leisten, in der Gefahrenabwehr im Außendienst oder in der medizinischen Versorgung tätig sind, waren zu über 40 Prozent von Gewalt betroffen. Der Bereich der Polizei wurde im Rahmen der neuen Studie nicht untersucht.
Besonders auffällig: Die Befragten der bundesweiten Studie meldeten durchschnittlich nur rund 30 Prozent der erlebten gewalttätigen Übergriffe. Die Dunkelziffer lag also bei 70 Prozent der Fälle, variiert aber stark zwischen den verschiedenen Beschäftigtenbereichen und Straftatbeständen. Während Beschäftigte von Feuerwehr und Rettungskräften 80 Prozent der erlebten gewalttätigen Übergriffe nicht melden, sind es in den meisten Beschäftigungsbereichen zwischen 66 und 75 Prozent.
Das Hamburger Personalamt hatte zuletzt die Zahl von 1.815 Übergriffen (ohne Polizei) im Jahr 2021 veröffentlicht. In 2020 waren es noch 1.734 Übergriffe in Hamburg. Hamburg ist eines der wenigen Länder, das entsprechende Übergriffe seit Jahren statistisch erfasst.
„Vor dem Hintergrund der hohen Dunkelziffer sind auch die Hamburger Zahlen neu zu interpretieren“, macht die Hamburger DGB-Vorsitzende Tanja Chawla deutlich: „60 Prozent der Beschäftigten geben an, dass die erlebte Gewalt Folgen für sie hat. Die Studie kommt gleichzeitig zu dem Ergebnis, dass die Beschäftigten offenbar bei Meldungen von Vorfällen eine Aufwand-Nutzen-Abwägung vornehmen. Der Hamburger Senat ist gefordert, noch genauer hinzusehen, die Hürden für die Meldung von Vorfällen noch weiter zu senken und den Nutzen von Meldungen für die Beschäftigten weiter zu erhöhen. Die Betroffenen müssen stärker unterstützt und die Übergriffe konsequenter strafrechtlich verfolgt werden. Das Vertrauen der Beschäftigten in die Stadt als ihren Arbeitgeber muss gestärkt werden. “
- Einen öffentlichen Bewusstseinswandel
- Die verbindliche Verankerung der Gewaltprävention und des Umgangs mit Gewalt in allen Fortbildungsangeboten
- Eine stärkere Sensibilisierung von Führungskräften
- Bei allen strafrechtlich relevanten Gewaltvorfällen muss grundsätzlich eine Strafanzeige durch die Dienststelle erfolgen – es sei denn, der oder die betroffene Beschäftigte möchte dies nicht
- Die Einrichtung von Sonderdezernaten bei den Staatsanwaltschaften zur Strafverfolgung von Übergriffen
Der DGB wird in den nächsten Wochen im Rahmen der bundesweiten Kampagne „Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch“ verstärkt auf das Problem der zunehmenden Gewalt gegen Beschäftigte hinweisen.
Die Zusammenfassung der Studie des Bundesinnenministeriums findet sich unter https://www.foev-speyer.de/fileadmin/Foev/Veranstaltungen/Gewalt_oeD_Zusammenfassung.pdf
Tanja Chawla privat