Deutscher Gewerkschaftsbund

PM - 15.05.2006

Private Arbeitsvermittlung ist nicht neu, wenig erfolgreich und missbrauchanfällig

Der Vorstoß des Arbeitssenators Gunnar Uldall, ALG I-Empfänger von privaten Arbeitsvermittlern betreuen zu lassen, stößt beim DGB Hamburg auf Skepsis.
Erhard Pumm, Vorsitzender des DGB Hamburg: „Es ist zwar richtig, Erwerbslose zu fördern und zu vermitteln, bevor sie langzeitarbeitslos und damit Hartz IV-Empfänger werden. Doch Uldalls Vorschlag ist weder neu, bislang wenig erfolgreich und sogar missbrauchanfällig. Erfahrungen mit privaten Vermittlern im Zusammenhang mit Personalserviceagenturen sowie den Vermittlungsgutscheinen zeigen, dass dies kein Königsweg ist, um Arbeitslose in Lohn und Brot zu bringen. Der Marktlogik folgend konzentrieren sich die privaten Vermittler eher auf leichtere Fälle und Arbeitssuchende, die über eine gute oder sogar höhere Qualifikation verfügen. Damit werden Verdrängungsprozesse noch verstärkt. Zudem hatte eine Untersuchung Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) unlängst ergeben, dass Vermittlungsgutscheine Missbrauch provozieren. In mindestens 20 Prozent der Fälle wurden die ausgegebenen Gutscheine vom Vermittler eingelöst und die Prämien dafür eingestrichen, obwohl die Betroffenen sich ihren Arbeitsplatz selbst beschafft haben, fand das IAB heraus.“
Es sei die Frage zu klären, so Hamburgs DGB-Vorsitzender, was Senator Uldall unter „erfolgsorientierter Bezahlung“ versteht – eine Vermittlung könne nach Gewerkschaftsansicht nur dann als erfolgreich gewertet werden, wenn die Stelle längerfristig besteht. Insofern müsste das sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnis vor der vollständigen Auszahlung der „Prämie“ an private Vermittler mindestens sechs Monate Bestand gehabt haben – so, wie es auch für die Vermittlungsgutscheine geregelt ist. Auch eine begleitende Evaluation sei zwingend, um zu vermeiden, dass das Geld der Beitrags- und Steuerzahler in sinnlosen Programmen versenkt werde.
„Wenn die Arbeitsagentur mit ihren dafür ausgebildeten Beratern die Vermittlung schon nicht selber schafft, sollten statt Privater lieber bewährte Träger mit Eingliederungsmaßnahmen beauftragt werden. Ein Träger hat die Möglichkeit, ergänzende Unterstützung wie Qualifizierung zu organisieren und den Eingliederungsprozess flexibel zu gestalten. Dafür braucht es aber ausreichend hohe Fallpauschalen“, so Erhard Pumm. „Private Vermittler sollten ihre Befähigung vorweisen können. Da quasi jeder per Gewerbeschein als Privatvermittler tätig werden kann, dürfte die Qualität der Beratung bei einigen wohl fragwürdig sein. Arbeitslose dürfen nicht zum Spielball privater Geschäftemacher werden.“



Hintergrund – bisherige Erfahrungen mit privaten Arbeitsvermittlern
Die im März 2002 eingeführten Vermittlungsgutscheine, die Arbeitslose bei privaten Arbeitsvermittlern einlösen können, haben sich nicht bewährt und provozieren sogar Missbrauchsfälle. Das ergab eine erste Bilanz des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB).
Zum Januar 2005 wurden die Regelungen nachgebessert. Erwerbslose, die mindestens sechs Wochen (vorher drei Monate) Arbeitslosengeld beziehen, können einen solchen Gutschein erhalten und mit ihm einen privaten Vermittler nach Wahl beauftragen. Er ist drei Monate gültig und kann durch den privaten Vermittler bei der Arbeitsagentur eingelöst werden, wenn er in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis (mindestens 15 Stunden/Woche) vermittelt, das mindestens sechs Monate dauert. Auch ALG II-Empfänger können in den Genuss dieses Gutscheins kommen, was jedoch selten geschieht, da sie häufig in Ein-Euro-Jobs gedrängt werden, die laut SGB II eigentlich nachrangig zu vergeben wären.
Jeder eingelöste Gutschein bringt dem Vermittler 2000 Euro, die in zwei Raten gezahlt werden. Die 1. Rate erhält der Vermittler 6 Wochen nach Arbeitsaufnahme des ehemals Arbeitslosen, die 2. nach 6monatiger Beschäftigungsdauer.
Von April 2002 bis Ende April 05 hat die Agentur für Arbeit Hamburg 28 841 Vermittlungsgutscheine ausgegeben. Lediglich 2 746 wurden auch tatsächlich eingelöst. Das entspricht einer Erfolgs-Quote von 9,5 Prozent, die immerhin höher liegt als bundesweit mit etwas über sieben Prozent.
In mindestens 20 Prozent der Fälle wurden die ausgegebenen Gutscheine vom Vermittler eingelöst, obwohl die Betroffenen sich ihren Arbeitsplatz selbst beschafft haben, so das IAB. Darüber hinaus habe der Arbeitgeber in 14 Prozent der Fälle den Arbeitslosen zuvor zu einem privaten Arbeitsvermittler geschickt und dann mit diesem einen Vermittlungsvertrag geschlossen.
Die Personalserviceagenturen (PSA) wurden 2003 im Rahmen von Hartz I als Herzstück der Gesetze zu modernen Dienstleistungen am Arbeitsmarkt eingerichtet. Sie werden von gewerblichen Zeitarbeitsfirmen, gemeinsam mit privaten Trägern oder von den Arbeitsämtern selbst gegründet. Mit Hilfe der PSA sollen Einstellungsbarrieren reduziert und eine schnelle Rückkehr in den Arbeitsmarkt erreicht werden. Arbeitslose werden von den PSA eingestellt und mit dem Ziel einer möglichst dauerhaften Anstellung an Unternehmen verliehen; dabei sind die Arbeitsbedingungen der Stammbelegschaft auch für Leiharbeitnehmer zu gewährleisten.
Der Erfolg dieses Instruments ist mangelhaft, so das Ergebnis der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen jüngsten Begleitforschung zu Hartz I -III.
Schwarze Schafe unter den privaten Vermittlern: Jobverlosung und -versteigerung
In unangenehmer Erinnerung ist die „Jobverlosung mit Hauptgewinn feste Stelle“ der Altonaer Arbeitsförderungsgesellschaft im Oktober 2004 - eine Aufmerksamkeit erheischende Marketing-Kampagne im Vorfeld von Hartz IV, bei der sich ein Anbieter auf dem Markt der privaten Jobvermittler interessant zu machen versuchte - auf Kosten der Arbeitslosen.
Nicht minder erniedrigend: Internet-Jobbörsen, die Arbeitsstellen an die Erwerbslosen versteigerten, die den geringsten Lohn verlangen.
In Hamburg sind rund 300 Vermittler auf dem Markt, darunter Zeitarbeitsfirmen, Beschäftigungsträger, aber auch Ein-Mann-Betriebe.

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