Deutscher Gewerkschaftsbund

PM - 04.08.2004

Brief an Hamburger CDU- Bundestagsabgeordnete

DGB Hamburg übt Kritik am CDU-Konzept zum Abbau von Arbeitnehmerrechten

Das vom CDU-Generalsekretär und dem Chef der hessischen Staatskanzlei vorgelegte Konzeptpapier „Mehr Wachstum durch Arbeit in neuen Erwerbsstrukturen“ sowie aktuelle Vorschläge führender Vertreter der CDU nahm der DGB Hamburg zum Anlass, Hamburger CDU-Bundestagsabgeordneten zu schreiben. Die Kritikpunkte in Auszügen:
„Das Konzept zur Deregulierung des Arbeitsmarktes wird in einer Zeit vorgelegt, in der sich viele Menschen um ihren Arbeitsplatz sorgen“, sagt Erhard Pumm, Vorsitzender des DGB Hamburg. „Eine Fülle gesetzlicher Veränderungen – viele von Bundesregierung und Opposition gemeinsam im Vermittlungsausschuss beschlossen – schaffen Verunsicherung und Zukunftsängste. Bei dem so genannten Hartz IV-Gesetz ist die Angst vieler Arbeitsloser und auch Arbeitnehmer/-innen mit Händen zu greifen. Gleichzeitig erleben wir, dass viele namhafte Unternehmen die Situation nutzen und harte Einschränkungen von ihren Beschäftigten in Fragen der Arbeitszeit und Entlohnung verlangen.“
Vor diesem Hintergrund werfe das CDU-Konzept Fragen auf und schaffe neue Verunsicherung, so Hamburgs DGB-Vorsitzender. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fragten sich, für welche Inhalte die Union stehe. Handelt es sich um „neoliberales Sommertheater“ (G. Weiß, Vorsitzender der CDU-Arbeitnehmergruppe im Deutschen Bundestag) oder um das vorgesehene Regierungsprogramm einer CDU-geführten Bundesregierung?
Auf tiefes Befremden stößt bei den Gewerkschaften, dass die noch nicht einmal acht Monate alten Vereinbarungen im Vermittlungsausschuss zu zentralen Arbeitnehmerrechten und Fragen der Mitbestimmung bereits wieder aufgekündigt werden. Ein Beispiel: Die Frage der so genannten betrieblichen Bündnisse und der Geltung von Tarifverträgen. Gleiches gilt für den Kündigungsschutz. „Will die CDU einen weiteren Abbau des Kündigungsschutzes, obwohl entsprechende Maßnahmen in der Vergangenheit in der Bundesrepublik erwiesenermaßen nicht gefruchtet haben?“, fragt Erhard Pumm. Oder gibt es in der CDU ausreichend verantwortungsbewusste Kräfte, die eine „Republik der Tagelöhner“ (Karl-Josef Laumann) nicht wollen?
Allein in Hamburg haben im vergangenen Jahr 88 000 Menschen ihren Job verloren (Zugang in Arbeitslosigkeit aus Erwerbstätigkeit). Trotz Liberalisierung der Leiharbeit und mehrfacher Aufweichung des Kündigungsschutzes hat die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze sowohl in der Hansestadt als auch bundesweit nicht zu- sondern abgenommen. Mittlerweile ist rund jede zweite Neueinstellung befristet. Keine der bekannten nationalen oder europäischen Studien belegt einen mehr oder weniger direkten Zusammenhang von Kündigungsschutz und der Höhe der Arbeitslosigkeit. Mit den zur Zeit in der CDU diskutierten Forderungen wird den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht nur ein steigendes Beschäftigungsrisiko zugemutet, sondern zudem noch weitergehende tiefe Einschnitte ins soziale Netz.
„Die vorgeschlagenen Kürzungen am Arbeitslosengeld verkennen die von der Bundesregierung mit Zustimmung der Union bereits getroffene Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes“, so Erhard Pumm. „Die im neuen CDU-Konzept geringfügige Besserstellung für langjährige Beitragszahler ändert nichts daran, dass die Lebensarbeitsleistung eben nicht angemessen honoriert wird.“ Der Plan zur Senkung des Arbeitslosengeldes im ersten Monat und zur degressiven Ausgestaltung ab dem 2. Monat wird lediglich zu hohem Verwaltungsaufwand bei der jeweiligen Festsetzung des Leistungsanspruches führen, im Ergebnis aber keine positive Auswirkung auf die Beschäftigungsaufnahme entfalten.
Besonders gravierend sind die Überlegungen zur nochmaligen Absenkung des Existenzminimums für arbeitsfähige Bezieher von Arbeitslosengeld II. Da nach dem Beschluss des Vermittlungsausschusses das Arbeitslosengeld II exakt die Höhe der bisherigen Sozialhilfe (zuzüglich eines befristeten Zuschlags für zwei Jahre) ausmacht, kann diese Forderung nur verwundern. Erhard Pumm: „Will die CDU ernsthaft, das durch den Sozialhilfesatz definierte Existenzminimum um 30% für alle Langzeitarbeitslosen unterschreiten? Wer langjährige Erwerbstätige nicht noch mehr bestrafen will, darf die Langzeitarbeitslosen nicht in noch größere Armut stoßen.“
Auch die Vorstellungen zur Beschäftigung Langzeitarbeitsloser über Agenturen werfen entscheidende Fragen auf. Wo sollen in diesem Umfang Langzeitarbeitslose über kommunale Beschäftigungsagenturen sinnvoll eingesetzt werden? Wie lässt sich den berechtigten Befürchtungen zum Beispiel des Handwerks begegnen, dass Arbeitsplätze gefährdet sind, wenn die Kommunen Aufträge im großem Stil durch eigene Beschäftigungsagenturen erledigen können? Wieso kritisiert die CDU entsprechende Überlegungen der Bundesregierung als „ABM im großen Stil“, wenn sie selber ähnliche Pläne in weit größerem Umfang (zu Dumpinglöhnen) verfolgt? Wieso werden die PSA der Bundesagentur für Arbeit abgelehnt, gleichzeitig aber ein Verleih der in kommunalen Beschäftigungsagenturen tätigen Arbeitnehmer an die Wirtschaft, die zum Sozialhilfesatz arbeiten sollen, vorgeschlagen?
In Hamburg sind zwischenzeitlich fast 28 200 Menschen länger als ein Jahr arbeitslos, davon weit mehr als die Hälfte mit qualifiziertem Berufsabschluss. Vorschlägen der CDU-Abgeordneten zur Beschäftigung dieser Menschen in Hamburg sieht der DGB Hamburg gerne entgegen. Der DGB unterstützt konstruktiv den Aufbau eines öffentlichen Beschäftigungssektors und die Schaffung neuer regulärer Jobs. Arbeitslose dürfen aber nicht zur „Billigkonkurrenz“ gemacht werden, denn die Auswirkung, dass damit regulär bezahlte Arbeit verdrängt wird, liegt auf der Hand.

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