Deutscher Gewerkschaftsbund

PM - 14.11.2008

Finanzkrise: DGB-Chefökonom stellte in Hamburg Eckpunkte vor


Mitbestimmung gegen Managerversagen – Investitionsprogramm in Hamburg
Dierk Hirschel, Chefökonom des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), hat angesichts der weltweiten Rezession „Verkehrsregeln für die internationalen Finanzmärkte“ und den Ausbau der Unternehmensmitbestimmung gefordert. „Die Finanzmärkte brauchen eine stärkere gesellschaftliche Kontrolle. Der Aktionär darf nicht mehr im Zentrum der Unternehmenspolitik stehen. Unternehmen sind öffentliche Einrichtungen. Folglich müssen die Interessen der Beschäftigten und Kommunen zukünftig stärker berücksichtigt werden. Dies erfordert den Ausbau der Unternehmensmitbestimmung“, sagte Hirschel in Hamburg.
Hamburgs ver.di-Chef Wolfgang Rose forderte den Senat zu einem umfangreichen Investitionsprogramm gegen die Rezession auf. Mit der Vorziehung von geplanten Investitionen und zusätzlichen Aufträgen u.a. im Schul- und Wohnungsbau, Hafen und Verkehr könnten in Hamburg zehntausende von Jobs gesichert und geschaffen werden.
„Die schwerste Finanzkrise seit achtzig Jahren darf nicht im politischen Kosmetikstudio behandelt werden“, sagte Hirschel. „Der finanzmarktgetriebene Kapitalismus hat sich selbst gegen die Wand gefahren. Banker, Broker und Vermögensverwalter dürfen nie wieder in die Lage versetzt werden, die Jobs und den Lebensabend von Millionen hart arbeitender Menschen zu gefährden. Die Finanzindustrie muss der Realwirtschaft dienen und nicht umgekehrt.“ Nötig sei ein grundlegender Politikwechsel, so der DGB-Chefökonom: „Ein staatlicher Ordnungsrahmen war und ist die Voraussetzung für funktionierende Märkte. Wir brauchen ein Regelwerk, das langfristige Realinvestitionen fördert und die kurzfristige Spekulation diskriminiert. Klare gesetzliche Regeln ersetzen wirkungslose Selbstverpflichtungen. Prävention, Haftung und Langfristorientierung müssen gestärkt werden.“
Hirschel regte weiter einen TÜV für Finanzmarktprodukte, striktere Eigenkapitalanforderungen, eine „Schufa für Banken“, einen Haftungsverbund der europäischen Privatbanken, ein Verbot von Aktienoptionen sowie die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen und Finanztransaktionen an. Darüber hinaus müsse auch die Verteilungsfrage neu gestellt werden. Der Zufluss in die Spekulation speise sich vor allem aus der Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums: So gehe das 140 Billionen US-Dollar schwere weltweite Finanzvermögen auch auf sinkende Steuern für Reiche, die Privatisierung sozialer Sicherung sowie explodierende Unternehmensgewinne zurück: „Die Kapitalschwemme erzeugt einen permanenten Anlagedruck. Deutschland bildet hier keine Ausnahme. Die Gewinn- und Vermögenseinkommen stiegen hierzulande zwischen 2000 und 2007 fast siebenmal so stark wie die Löhne und Gehälter. Das heimische Geldvermögen wuchs im gleichen Zeitraum um eine Billion auf insgesamt drei Billionen Euro. Die Zahl der Millionäre kletterte um rund zehn Prozent auf 830.000. Diese massive Einkommens- und Vermögenskonzentration erhöhte die Einsätze im globalen Casino.“ Eine zentrale Antwort auf die ökonomisch schädliche Konzentration von Einkommen und Vermögen sei eine offensive Tarifpolitik der Gewerkschaften, so Hirschel.
ver.di-Chef Wolfgang Rose sagte, das von der Bundesregierung projektierte Konjunkturprogramm könne nur ein Anfang sein: „Während China, Japan und die USA einen rund 800 Milliarden Euro „Schutzschirm“ für Arbeitsplätze aufspannen, nimmt die Bundesregierung nur zwölf Milliarden in die Hand. Das wird angesichts der Größe der Krise nicht reichen.“ Rose forderte den Senat auf, ein Hamburger Investitionsprogramm für Arbeit, Bildung und Umwelt aufzulegen. So seien etwa 3 Milliarden Euro nötig, um Hamburgs Schulgebäude zu sanieren und zu modernisieren. Im Hafen sei der Investitionsbedarf ähnlich hoch. Auch beim Wohnungsbau sei der Senat noch weit von dem Ziel entfernt, 6000 neue Wohnungen zu errichten. Im öffentlichen Nahverkehr könne der Bau behindertengerechter Bahnhofe beschleunigt werden, auch der Radwege- und Straßenbau sei zu intensivieren. Das Programm werde erhebliche positive Folgeeffekte haben und könne sich inklusive Zinsen aufgrund seiner Beschäftigungswirkung selbst finanzieren. Zuvor müssten die Schuldenlüge beendet durch eine „ehrliche Haushaltpolitik“ die Schattenetats offengelegt und Klarheit über die wahre Finanzlage der Stadt geschaffen werden. Rose: „Mit Investitionen in seine Prestigeobjekte wird der Senat Hamburg nicht vor der Krise bewahren können. Ich erwarte, dass der Bürgermeister sich mehr in die Abwehr der Rezessionsgefahren für Hamburg einschaltet, als er es bisher getan hat.“

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